Wie fast alle seine Werke schnitzte der Ausnahmekünstler Olowe von Ise diesen Königsthron aus einem einzigen Holzblock des Iroko-Baums. Dabei modifizierte er die traditionelle Form eines solchen Herrschersitzes eindrucksvoll: Olowe fügte seinem Thron eine majestätische, von Vögeln und einem Relief anthropomorpher Gesichter umrahmte Rückenlehne hinzu. Auch die Armlehnen, die ihrerseits auf menschlichen Figuren aufliegen, sind Elemente, die es so in der Holzschnitzkunst der Yoruba zuvor wohl nicht gab.
Olowes Inspirationsquelle für die formalen Neuerungen war wahrscheinlich ein repräsentativer englischer Stuhl mit Rücken- und Armlehnen. Diesen hatte das British Museum 1925 dem König von Ikere als Gegenleistung für eine von Olowe geschnitzte Palasttür (Link zum Blog) übersandt.
Den Briten war die Innovationskraft des damals in Europa noch nicht namentlich bekannten Künstlers aufgefallen, dessen Figuren eine Lebendigkeit und Individualität ausstrahlten, die es so in anderen Yoruba-Werken nicht gab.
Dynamik und Detailgenauigkeit sind bis heute Alleinstellungsmerkmale, die das Oeuvre Olowes auszeichnen. Innovationskraft und Kreativität vereinen sich in seinen Werken mit religiösen, historischen und höfischen Themen, die in der Yoruba-Kultur tief verwurzelt sind. Alle gestalterischen Elemente – vom Herrscherzeichen des Vogels über die verschiedenen Frisuren der Figuren bis hin zur Verehrung der Ahnen in Form des Gesichtsreliefs – besitzen eine Symbolik, die Eingeweihte entschlüsseln können.
All dies machte Olowe von Ise schon zu Lebzeiten in seiner Heimat berühmt und erfolgreich. Seine exklusiven Throne avancierten zu begehrten Repräsentationsobjekten, die den von alters her überlieferten Herrschaftsanspruch aber auch die Weltgewandtheit und Modernität der Yoruba-Könige kunstvoll in Szene setzen sollten.

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