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Karlheinz Oswald – Menschenbilder 

Karlheinz Oswald

Faszination auf den ersten Blick. So könnte man Dirk Gemündens Reaktion beschreiben, als 1988 die Bronzestatue von Sebastian Münster vor der Ingelheimer Remigiuskirche feierlich enthüllt wurde. Das ernste, offene und weltgewandte Antlitz des 1488 in der Stadt geborenen Humanisten und Universalgelehrten zierte bereits den 100 DM-Schein. Nun, zum 500. Geburtstag, setzten die Ingelheimer ihrem Ehrenbürger ein dreidimensionales Denkmal an zentraler Stelle.

Und was für eines! Der damals erst 30-jährige Künstler Karlheinz Oswald hatte ein Bildnis aus patinierter Bronze geschaffen, das den Verfasser der Cosmographia in unmittelbarer Lebendigkeit, modern und dennoch von universaler Gültigkeit darstellt.

Mit der Figur des Sebastian Münster war dem Bildhauer und Maler ein Werk gelungen, das stellvertretend für die in den kommenden Jahrzehnten folgende Erfolgsgeschichte betrachtet werden kann: Bereits während seines Studiums der Freien Bildenden Kunst an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gewann das Ausnahmetalent Förderpreise und Stipendien, die es ihm zunehmend ermöglichten, seine eigenen künstlerischen Wege zu gehen. Oswald entwickelte eine Form- und Bildsprache, die geprägt ist von der Dynamik des Schaffensprozesses, von Spontanität und Authentizität. Sowohl seine plastischen Arbeiten als auch seine Zeichnungen und Gemälde sind nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet und eröffnen so Spielräume für den Betrachter. Und das mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht.

So schafft Oswald bedeutende sakrale Bildwerke, die auf der ganzen Welt zu finden sind: Vom Hamburger Dom über die Kathedrale in Juigalpa, Nicaragua bis hin zum Vatikan. Seine Heiligenskulpturen und Porträts großer Glaubenszeugen wie Hildegard von Bingen, Dietrich Bonhoeffer oder Edith Stein offenbaren Menschen in ihrem irdischen Dasein und weisen zugleich weit darüber hinaus. Ein Meisterwerk ist Oswalds Figur des Gekreuzigten im Mainzer Dom. Sie zeigt Christus befreit von allem Leid. Der Auferstandene streckt sich mit geradezu tänzerischem Gestus Richtung Himmel und wird zum Symbol für Hoffnung und Leben.

Tanz, Vitalität und Schönheit sind Themen, die den Künstler in seinem gesamten Œuvre immer wieder beschäftigen. Studienreisen führten ihn schon früh an die Theater und Ballettsäle in New York oder Berlin: Inspiriert von der Anmut des Tanzes schuf Oswald zahlreiche Figuren, die die Ästhetik der Bewegung versinnbildlichen. Die Arbeiten lassen zunächst ein hohes Maß an Abstraktion erkennen, etwa die 1990 geschaffenen Tänzerinnen vor der Zitadelle in Mainz, deren Konturen sich geradezu aufzulösen scheinen. Figurativer hingegen sind die 2004 entstandenen Rheintöchter auf der Rheinterrasse Fort Malakoff. Von besonderem Reiz ist bei beiden Beispielen das Zusammenspiel der dynamisch-leichten Plastiken mit der gewichtigen Atmosphäre altehrwürdiger Gemäuer. Eine spannungsreiche Symbiose, die Dirk Gemünden so sehr beeindruckt, dass seine Firmengruppe Gemünden/Molitor das Sponsoring für zwei der drei Rheintöchter sowie die Mainzer Tänzerinnen übernahm.

Die grundlegenden Elemente, die tänzerischen Ausdruck in der Regel erst möglich machen, sind Rhythmen und Töne. Oswald gelingt es, diese in seinen Darstellungen von Trommlern zu materialisieren und nahezu sichtbar zu machen. So etwa in der Bronzeplastik Solomo, die 2022 vor dem Firmengebäude Gemünden/Molitor in Ingelheim ihren Platz gefunden hat. Voller Hingabe, den Kopf geneigt, die Augen fast geschlossen, berührt der afrikanisch anmutende Mann mit seiner Linken sanft eine Standtrommel, während die Rechte zum Schlag leicht erhoben ist. Der mit weitem Gewand und Kopfbedeckung bekleidete Musiker scheint seinem Instrument archaische Klänge und Takte zu entlocken, die den Betrachter von Reisen in ferne Länder träumen lassen.

Herausragend ist auch Oswalds Begabung als Porträtist. Mit seinem intensiven Interesse an Person und Persönlichkeit seines Gegenübers gelingt es dem Künstler immer wieder, das individuelle Wesen und die Gefühlswelt eines Menschen wiederzugeben und erlebbar zu machen. Berühmt sind seine eindrucksvollen Kopfplastiken der Kardinäle Volk und Lehmann, des Alt-Bundeskanzlers Helmut Kohl oder die von Gemünden/Molitor finanzierte Figur des großen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch im Mainzer Kabarettarchiv.

In dieser Tradition schuf der Künstler, den seit den 1990er-Jahren eine enge Freundschaft mit der Familie Gemünden verbindet, auch die Bildnisse von Karl Gemünden, dessen Ehefrau Änne, sowie des Ehepaars Dirk und Heidrun Gemünden. Wie ein freundliches Empfangskomitee begrüßen die vier aus Eisen oder bemalter Bronze geschaffenen Porträts heute den Besucher im Museum Obentraut3. Sie stehen stellvertretend für eine herzliche Einladung, an diesem besonderen Ort die Familiengeschichte der Gemündens, die Sammelleidenschaft der Stifter sowie Kunst und Künstler aus der ganzen Welt kennenzulernen. Darunter auch weitere Statuen sowie Gemälde und Zeichnungen Karlheinz Oswalds.

Lesen Sie mehr zu seinen Werken   Stelena 1 und Stelena 2 ,   Karl Gemünden   und    Sarah 4

Museum Obentraut3

Obentrautstraße 3a
55218 Ingelheim-Großwinternheim

+49 (0)6130 94 93 282
info@kunstimaltenweingut.de

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