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Gustl Stark – Neue Wege der Druckkunst

Karlheinz Oswald, Gustl Stark, 1986
© Karlheinz Oswald, 2022

 

Dreidimensionale Drucke? Grafiken, die man wie ein Relief ertasten kann? Gustl Stark (1917–2009), einer der innovativsten Mainzer Künstler nach 1945, machte mit der Entwicklung des farbigen Prägetiefdrucks das scheinbar Unmögliche möglich. Seine Technik: Kunstharzmasse wird auf eine Hartfaserplatte gespachtelt und mit verschiedenen Werkzeugen wie Kämmen, Industrieteilen, Schrauben oder Messern bearbeitet. Schnelligkeit und Präzision sind dabei gefragt, denn nach nur einer Stunde ist das Material ausgehärtet. Mit Pinseln, Walzen oder auch mit den bloßen Fingern wird Farbe auf den Druckstock aufgetragen, bevor der eigentliche Druck auf zuvor eingefeuchtetem Kupferdruckkarton erfolgt. Der Karton wird dabei durch das immense Gewicht einer Stahlwalze auf den prägenden Druckstock geradezu verformt und erhält den Charakter einer Flachschnitzerei.

Mit dieser neuen Technik überschreitet Gustl Stark ab 1962 die Grenzen von klassischer Malerei und Grafik: Handwerkliches Können, technisches Know-how, Formelemente und Farbflächen vereinen sich zu Gesamtkunstwerken, die zu den herausragenden Leistungen der deutschen Druckgrafik des 20. Jh. zählen und den Mainzer auch international bekannt gemacht haben. Komposition und Druck werden immer von der Hand des Künstlers selbst ausgeführt und machen jedes Werk zu einer Originalgrafik.

Die Entwicklung und meisterhafte Umsetzung des Prägetiefdrucks sind der Höhepunkt des künstlerischen Werdegangs Gustl Starks, der von der beständigen Suche nach neuen Ausdrucksformen und Originalität geprägt ist. Und das voller Optimismus und Entschlossenheit. So lässt sich Gustl Stark auch nach dem Verlust seines rechten Arms im Zweiten Weltkrieg nicht entmutigen, seine künstlerische Ausbildung an der Mal- und Zeichenschule in Würzburg sowie der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg fortzusetzen. „Man malt nicht mit den Händen, man malt mit dem Kopf“, soll Gustl Stark, angesprochen auf seine Verletzung, einmal gesagt und so gleichsam den intellektuellen Aspekt seiner Kunst formuliert haben.

1949 kehrt Gustl Stark als freischaffender Künstler in seine Heimatstadt zurück und widmet sich als erster Mainzer der abstrakten Malerei. Während sein Frühwerk noch vom Spätexpressionismus geprägt ist, konzentriert er sich in den 1950er-Jahren auf gegenstandslose Malerei, die sich durch die Verbindung von grafischen Elementen und Farbflächen auszeichnet. Um 1960 verwendet der Künstler für seine Ölgemälde Metallkämme zum Farbauftrag. Schraffuren, feinmaschige Gitterstrukturen und reliefartige Farbdämme erscheinen im Rückblick wie die Vorbereitung seiner großen künstlerischen Errungenschaft, dem einleitend beschriebenen farbigen Prägetiefdruck. Dieser ist in den 1960er- und 70er-Jahren von geometrischen Arrangements gekennzeichnet. Ab 1980 prägen abstrahierte Landschaften, komponiert aus bis zu 10 verschiedenen Druckfarben, das Œuvre. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel hierfür ist „Der Acker“ von 1981 mit seinen parallelen, stark geprägten Furchen, die in die Weite der Landschaft übergehen und sich im Blau des Horizonts verlieren. Im Museum Obentraut3 kann dieses Meisterwerk der deutschen Druckgrafik nach 1945 mit den Augen ertastet und bewundert werden. In Zusammenschau mit dem Bronzeporträt, das Karlheinz Oswald 1986 von seinem Künstlerkollegen Gustl Stark anfertigte, erfährt so einer der ganz großen Mainzer im Alten Weingut eine gebührende Ehrung.

Lesen Sie mehr zu seinem Werk Der Acker.

Museum Obentraut3

Obentrautstraße 3a
55218 Ingelheim-Großwinternheim

+49 (0)6130 94 93 282
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