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Die vielen Gestalten des Buddhas

Der große Buddha-Raum im Museum Obentraut3 ist ein Ort der Ruhe und Andacht. Warmes Licht erfüllt den Raum, in dem mehrere asiatische Buddha-Statuen ihre neue Heimat gefunden haben. Stehend oder sitzend, aus Bronze gegossen, aus Lehm modelliert oder aus Stein gehauen, weisen sie eine Vielzahl von unterschiedlichen Gestalten auf, und es lohnt, das eine oder andere Detail, die eine oder andere Geste genauer zu betrachten.

Doch zuvor sei die Legende des Buddhas in aller Kürze erzählt: Irgendwann zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. soll in Nordindien der Prinz Siddhartha Gautama das Licht der Welt erblickt haben. Laut der Prophezeiung eines Sehers sollte er ein großer Herrscher oder – wenn er das Leid der Welt erkennen würde – ein bedeutender geistiger Führer werden. Letzteres gefiel dem Vater, der um seine Nachfolge fürchtete, gar nicht, und er schottete den Jungen so weit wie möglich von der Außenwelt ab. Doch bei drei Ausfahrten jenseits der Palastmauern begegnete Siddhartha dennoch einem Kranken, einem Greis und einem Toten.
Woher kommen Leid und Vergänglichkeit? Und wie ist es dem Menschen möglich, den ewigen Kreis der Wiedergeburten, wie ihn der Hinduismus lehrt, zu beenden? Inspiriert durch die Begegnung mit einem Asketen wollte der junge Mann mithilfe von Verzicht und Meditation Antworten auf diese fundamentalen Fragen finden. Siddhartha verließ den Palast, schor sich die Haare und bedeckte seinen Körper nur noch mit einem dünnen gelben Gewand. Als er in einer Vollmondnacht unter einer Pappelfeige, auch Bodhi-Baum genannt, meditierte, „erwachte“ er: Siddhartha hatte den Weg zur Erlösung gefunden. Seine profunden Erkenntnisse über das menschliche Dasein im Weltenlauf und seine Lehre von Mitgefühl, Achtsamkeit und Entsagung verbreitete der erste Buddha noch zu Lebzeiten in allen Teilen der Bevölkerung. Nach seinem Tod im Alter von 80 Jahren ging der „Erwachte“ in das Nirvana ein, seine Seele wurde von der Reinkarnation befreit und verlöschte. Buddhas Lehre aber wurde zur Weltreligion.

Merkmale des Buddhas in der Bildhauerei

                                                                                                                                          Im 2. Jh. n. Chr. wurden die ersten menschlichen Darstellungen des Buddhas von Steinmetzen im heutigen Pakistan erschaffen: Harmonische, friedliche Gesichtszüge und eine Aura von Zuversicht und stiller Herzlichkeit sind seither typische, überregionale Merkmale der Buddha-Ikonografie.

                                                  Unterschiedliche Formen kann die Ushnisha haben, die Erhebung am Hinterkopf, die ursprünglich ein Haarknoten war und später zum übernatürlichen Schädelhöcker uminterpretiert wurde. Die Ushnisha symbolisiert Buddhas Weisheit, die so groß ist, dass sie geradezu über seinen Kopf hinauswächst. Vor allem Buddhas aus Thailand weisen sogenannte Flammen-Ushnishas auf. Der Schädelhöcker geht über in eine Flamme oder wird ganz durch diese ersetzt. Ein Symbol für die Erleuchtung, wie es erstaunlicherweise auch in christlichen Pfingstdarstellungen zu sehen ist.

Häufig haben südostasiatische Buddha-Darstellungen überlange Ohrläppchen, die daran erinnern, dass Siddhartha Gautama einst ein Prinz mit schweren Ohrgehängen war.

Ein wichtiges Symbol ist auch die Lotusblüte, die als Sockel den stehenden oder mit überkreuzten Beinen meditierenden Buddha trägt. Seine Eigenschaften, durch schlammiges Wasser emporzuwachsen, allen Schmutz abperlen zu lassen und am Sonnenlicht schließlich seine wunderschöne Blüte zu entfalten, machen den Lotus zum perfekten Sinnbild für Reinheit und den Weg zur Erleuchtung.

Die Gesten des Buddhas

Darüber hinaus sind die verschiedenen Handhaltungen, mudras, der Statuen für Buddhisten spirituell bedeutsam:

Bei der Dhyana Mudra liegt die rechte über der linken Hand ruhend im Schoß des Buddhas. Die Daumen berühren sich. Dies ist die Meditationsmudra, das Siddhartha eingenommen haben soll, bevor er die Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum erfuhr.

Den Moment der Erleuchtung selbst symbolisiert die Bhumisparsha Mudra: Die linke Hand des im Lotussitz dargestellten Buddhas liegt mit der Handfläche nach oben im Schoß, die Fingerspitzen seiner auf Knie oder Unterschenkel platzierten Rechten berühren den Boden.

Der Legende nach wurde Siddhartha während seiner Meditation unter dem Bodhi-Baum vom Dämon Mara, einem Sinnbild für Unheil, heimgesucht, um seine Erleuchtung zu verhindern. Siddhartha aber rief die Erdgöttin an, um seine Verdienste zu bezeugen und „erwachte“. Die Mudra wird im Deutschen auch als Geste der Erdanrufung bezeichnet.

Die Abhaya Mudra ist die Geste des Grußes, der Furchtlosigkeit und der Schutzgewährung. Während ein Arm der Statue meist locker herabhängt, ist der andere Arm angewinkelt, die Handfläche zeigt mit nach oben gestreckten Fingern zum Betrachter. Meist handelt es sich dabei um die rechte Hand, in Thailand und Laos kommt aber auch die Linke zum Einsatz.

Buddhas Rolle als spiritueller Lehrer wird mithilfe der Vitarka Mudra dargestellt: Zeigefinger und Daumen berühren sich während die übrigen Finger gerade nach oben zeigen. Es ist eine Geste der Diskussion und Argumentation, wobei der Kreis, den die Finger bilden, den niemals endenden Energiestrom symbolisiert.

 

Gleich zwei Mudras kann man an der auffällig farbig gefassten chinesischen Buddha-Figur aus dem 14.–17. Jahrhundert erkennen, die in ihrer Gestik besonders lebendig wirkt. Ihre linke Hand symbolisiert in der Varada Mudra – Handfläche mit gespreizten oder leicht angewinkelten Fingern nach vorne unten – Wunschgewährung, Segen und Gnade. Daumen und Mittelfinger der Rechten sind aneinandergelegt, der Ringfinger ist leicht gebeugt, kleiner Finger und Zeigefinger sind gestreckt. Diese Geste ist bekannt als Shuni Mudra, welche die Leere versinnbildlicht. In der buddhistischen Weltanschauung gilt der leere Raum als Ursprung allen Lebens.

 

 

Insgesamt gibt es über 100 verschiedene Mudras, die im Hinduismus und Buddhismus bis heute große Bedeutung haben, nicht nur in der Kunst, sondern auch im täglichen Leben. Beispiele hierfür sind der Gruß Namaste mit vor der Brust zusammengelegten Händen, die bedeutungsschweren Gesten im indischen Tanz oder die Energie und Konzentration fördernden Handhaltungen im Yoga. Eines haben aber alle Mudras gemeinsam: Sie bezwecken nur Gutes, denn Mudra bedeutet auf Sanskrit „das, was Freude bringt“.

Museum Obentraut3

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